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Weimar liegt in Thüringen – Zur Wahl des neuen thüringischen Ministerpräsidenten


Wenn man sich die Wahl des neuen thüringischen Ministerpräsidenten ansieht, wird die Weimarer Republik im geschichtsbewussten Gedächtnis plötzlich sehr präsent. Weimar liegt eben in Thüringen.


Bereits am 29. Oktober habe ich zum Wahlausgang in Thüringen kommentiert:

„Die Lehre aus der Thüringen-Wahl muss lauten: Es geht jetzt um unsere Demokratie. Es geht darum, ob unser Gesellschaftssystem mit seinen garantierten Freiheitsrechten auch künftig noch Bestand hat. Und um nichts weniger! „

Was wir heute erlebt haben, ist im Grunde genommen eine konsequente Fortsetzung dessen, was sich aktuell in unserer Gesellschaft zu verschieben im Gange ist. Es ist ein „Tabubruch“, ein „Dammbruch“, wie es die ersten Kommentatoren richtig bewerten. Eine Überraschung ist es indes nicht! Es ist lediglich – der nächste Schritt.


Bereits kurz nach der Thüringenwahl hat CDU-Fraktionsvize Heym wiederholt Gespräche mit der AfD gefordert und die Partei um den Faschisten Björn Höcke und seinem rechten „Flügel“ gar als möglichen Bestandteil einer „bürgerlichen Koalition“ bezeichnet. Nicht umsonst jubilierte der Bundessprecher der AfD Jörg Meuthen heute auf Twitter: „Der erste Mosaikstein der politischen Wende in Deutschland: Sieg der bürgerlichen Mehrheit!!! Gratulation nach Thüringen!“.


Hier wird der extrem rechte Flügel der AfD in Thüringen gezielt umgedeutet zur neuen bürgerlichen Mitte. Die politische Ausrichtung damit zu einer neuen Normalität. Das ist dreist, das ist falsch, das ist brandgefährlich! Die Gesellschaft soll damit daran gewöhnt werden, dass es eben normal ist, dass die AfD als Sammelbecken „Aggressiver frustrierter Deutscher“ in zunehmendem Maße Einfluss gewinnt.


Heute hat sie den FDP-Abgeordneten Thomas Kemmerich, dessen Partei mit 5,006 Prozent der Stimmen in den Landtag eingezogen ist, zusammen mit CDU und FDP zum Ministerpräsidenten gewählt. Ein Ministerpräsident, dessen Partei fünf Abgeordnete stellt – 5 von 90. Der damit nicht einmal im Ansatz eine Mehrheit hinter sich hat. Der bei jeder Entscheidung auf Gedeih und Verderb auf die Unterstützung der anderen Fraktionen angewiesen ist – im Zweifelsfall eben auch der AfD. Und wieder wird der Ruf nach der SPD und den Grünen laut, werden sie an ihre staatspolitische Verantwortung erinnert.


Heute haben viele verloren: Bodo Ramelow, der meiner Meinung nach, eine solide Arbeit geleistet hat. FDP und CDU, die sich unangenehme Fragen stellen lassen müssen: Gab es nicht doch Absprachen? Wie ist ansonsten die absolute Geschlossenheit von CDU, FDP und AfD zu erklären? Wie soll die Regierungsarbeit nun aussehen, wenn es doch keine Zusammenarbeit mit der AfD geben soll? Verloren hat auch Thomas Kemmerich, der schon wenige Stunden nach seiner Wahl mit Rücktrittsforderungen – auch aus der FDP (!) – konfrontiert wird. Oder Forderungen nach Neuwahlen – wie z.B. aus Markus Söders CSU. Verloren hat natürlich die Linke mit dem Verlust ihrer Regierungsverantwortung und des Ministerpräsidenten. Verloren hat auch die SPD: Denn natürlich belastet die Wahl in Thüringen auch die GroKo in Berlin. Wie verlässlich ist eine CDU noch, wie belastbar sind Aussagen ihrer Führung? Kann man mit dieser Union noch konstruktiv zusammenarbeiten? Gewonnen hat allein die AfD – mit einem allein taktisch motivierten Manöver.


Raufen sich die Beteiligten in Thüringen zusammen, wird das nicht ohne weitere Blessuren, gehen. Eine Gesichtswahrung für alle ist nahezu unmöglich. Schafft es Kemmerich hingegen nicht, eine stabile Regierung zu etablieren, wird die AfD bei jeder sich bietenden Möglichkeit, genussvoll höhnisch den Finger in diese Wunde legen.


Es ist ihr damit gelungen, größtmögliche Verunsicherung zu schaffen und die ohnehin schwierige politische Lage in Thüringen weiter zu destabilisieren. Und darum geht es dieser Partei letzten Endes: Destabilisierung! Heute haben wir den nächsten Schritt auf einem Weg erlebt, der das Unterhöhlen, das Beschädigen unserer demokratischen Strukturen zum Ziel hat. Dabei geht die AfD immer unverhohlener zur Sache. Es geht ihr nicht um das Lösen von Problemen, sie vertritt nicht die Interessen „des kleinen Mannes“. Sie will – wie alle (rechten) Populisten – unsere Gesellschaft spalten. Am Ende dieses begonnenen, gefährlichen Weges, auf dem wir heute einen weiteren Schritt gegangen sind, steht einzig ein Ziel: das Schleifen unserer Demokratie!


So kann ich meinen Appell von Oktober 2019 nur noch einmal wiederholen:

„Es ist die Zeit, wo alle Demokratinnen und Demokraten, zusammenstehen müssen! Egal wo, egal in welcher demokratischen Partei, egal, ob in Politik, Wirtschaft, Kirche, Medien, Verbänden oder Zivilgesellschaft! Noch haben wir das Heft des Handelns in der Hand. Noch sind wir die Mehrheitsgesellschaft! Lasst uns die Spalter gemeinsam in die Schranken weisen!“

Zusammenfassung Vorgang in Thüringen ist keine Überraschung, sondern der nächste Schritt auf einem bedrohlichen Weg. / Verloren haben alle Beteiligten mit Ausnahme der AfD. / Der Zusammenhalt aller demokratischen Kräfte gewinnt dadurch weiter an Bedeutung.

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