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Putin – durchgeknallter Despot oder intelligenter Machtpolitiker?


Nun hat er es also tatsächlich getan. Wladimir Putin schickt russische Truppen in die Ostukraine. Zuvor hatten der Präsident und die Duma die beiden von Separatisten kontrollierten Provinzen Luhansk und Donezk als von der Ukraine unabhängige Staaten anerkannt. Mit Vertretern der Separatisten hat Putin „Freundschafts- und Hilfsabkommen mit den beiden Republiken“ geschlossen, was ihm als Legitimation dient, offiziell russische Einheiten in die Ostukraine zu entsenden. Ein klarer Bruch des Völkerrechts. Daran ändert sich auch nichts, wenn Putin den Einsatz als „Friedensmission“ deklariert.


Bei vielen Menschen im Westen ist bis vor wenigen Wochen zunehmend in Vergessenheit geraten, dass der russisch-ukrainische Konflikt schon seit Jahren schwelt und seit Februar 2014 auch bewaffnet ausgetragen wird. Seitdem kämpfen von Russland unterstütze Milizen und Separatisten gegen ukrainische Regierungstruppen. Man hat sich daran gewöhnt. Außerdem fand das Ganze „irgendwo im Osten“ statt. Corona und Co. waren uns da viel näher – was jedoch täuscht: Gerade einmal rund 1.800 Kilometer liegen zwischen Donezk und Berlin.


Nun hat uns die drohende Kriegsgefahr, die Sorge um einen sich völlig entfesselnden Konflikt bis hin zu einem neuen Weltkrieg aufschrecken lassen. Schockiert verfolgen wir das Geschehen vor den Bildschirmen, haben mit entsetztem Unglauben die Ansprache Putins im Fernsehen gehört. In seiner Rede drohte der Präsident der Ukraine. Und er machte deutlich, dass der westliche Nachbarstaat in seiner Denke unverrückbarer Bestandteil eines alten (und neuen?) russischen Reiches ist.


Ist Putin also ein durchgeknallter Despot? Einer, der das Feuer an die Lunte hält, einen neuen globalen Konflikt riskiert, nur um seinen Traum von einem Russland alter Größe zu verwirklichen? Oder hat er sich in der Absicht, sich als starken Mann nach innen zu profilieren und von den wirtschaftlichen Problemen Russlands abzulenken, einfach verschätzt bzw. vergaloppiert?


So simpel ist es meiner Meinung nach nicht. Putin ist geprägt von seiner Zeit als Krieger des „Kalten Krieges“, der den Zusammenbruch der Sowjetunion nie verwunden hat. Daraus leitet sich auch seine Außenpolitik ab. Diese ist wiederum geprägt von einer Haltung, die sich jedwede Einmischung von außen in „russische Angelegenheiten“ verbietet, wobei dieser Begriff von ihm selbst definiert und weiter gefasst wird als im Westen. Putins Russland will weiterhin eine Rolle als bedeutende Weltmacht spielen und die entsprechende Würdigung und Beachtung finden. Beides wird schnell als von außen bedroht angesehen.


An dieser Stelle kommt die sukzessive Osterweiterung der NATO ins Spiel. Hier kollidieren die in diesen Tagen viel zitierten Aussagen Genschers von Februar 1990 mit dem Lauf der Zeit, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Osteuropas und den russischen (Sicherheits-) Interessen.


Das alles ist nicht neu, hat sich vielmehr in den vergangen dreißig Jahren aufgebaut und entwickelt. Mit Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Albanien, Kroatien, Montenegro und Nordmazedonien ist nach und nach eine ganze Reihe ehemaliger Staaten des Ostblocks Mitglied im westlichen Verteidigungsbündnis geworden. Als zuletzt auch die Ukraine die NATO-Mitgliedschaft angestrebt hat, kamen Putin die Aktivitäten der pro-russischen Separatisten politisch mehr als gelegen.


Mit seiner aggressiven Politik der letzten Wochen schafft er dabei Fakten. Dabei profitiert er von der Schwäche des Westens. Das transatlantische Verhältnis ist nach der Amtszeit Trumps zumindest eingetrübt, die Europäische Union nach der sog. Flüchtlingskrise 2015/2016, dem Brexit und einer an vielen Stellen mit den Grundwerten der Union nicht zu vereinbarenden Politik v.a. in Polen und Ungarn zumindest geschwächt. Das zeigten auch die Reaktionen des Westens auf die Besetzung der Krim 2014. Dass die Spirale der Eskalation sich im Osten der Ukraine in den vergangenen Jahren nach und nach weitergedreht hat, ist dabei (zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung) weitestgehend untergegangen. Die Ereignisse in Belarus, wo Präsident Lukaschenko, mit Terror und Gewalt auf regierungskritische Demonstrationen reagierte, und am Ende Putin um Unterstützung bat, offenbarten ebenfalls die Schwäche des Westens und schafften für den russischen Präsidenten die Möglichkeit, Truppen auch an der Nordgrenze der Ukraine zu stationieren.


Die angedrohten Sanktionen des Westens konnten Putin bislang nicht stoppen. Für viele mag es im Februar nur eine Randmeldung gewesen sein, dass Russland mit China einen Milliarden-Deal vereinbart hat. Die Volksrepublik nimmt Putin Erdöl und Gas im Wert von umgerechnet 100 Milliarden Euro ab. Bereits jetzt ist Russland der drittgrößte Gaslieferant des weltgrößten Energieverbrauchers. Generell war zuletzt eine Annäherung der beiden Länder zu beobachten. Diese neuen Deals und Abkommen machen Russland zugleich ein Stück unabhängiger von Europas Importen. Das zeigt, dass Putin überlegt und geplant handelt.


Gleichzeitig weiß Putin au