
80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sind wir aufgerufen, nicht nur zu gedenken, sondern zu handeln. Heute vielleicht sogar mehr als noch vor wenigen Jahren. Auschwitz steht nicht nur als ein Mahnmal für die unermesslichen Gräueltaten des Nationalsozialismus, sondern auch als Mahnung, wie zerbrechlich unsere demokratischen Werte und die Achtung der menschlichen Würde sein können. In einer Zeit, in welcher Populismus immer mehr um sich greift und an zu vielen Stellen Hetze und Stimmungsmache ungeniert verbreitet werden, darf der Blick auf Auschwitz nicht nur ein Rückblick auf die Vergangenheit sein. Vielmehr fordert er uns heraus, uns zu fragen, wie wir in der Gegenwart mit Hass und Intoleranz umgehen.
„Die Zeit heilt keine Wunden, sie macht sie nur unsichtbar“, sagte der Auschwitz-Überlebende und Schriftsteller Primo Levi. Dieses Zitat beinhaltet den Appell, dass die Erinnerung an die Shoah nicht verblassen darf. In einer Gesellschaft, die von Populisten und rechten Kräften zunehmend polarisiert wird, ist es dabei besonders wichtig, wachsam zu bleiben. Die AfD und andere bedienen sich einer populistischen Rhetorik, die nicht nur Minderheiten und Migranten angreift, sondern auch die Grundlagen der Demokratie untergräbt. Sie appellieren an Ängste und Ressentiments und bringen damit alte Ideologien in einen neuen Kontext. Der Zorn über „die da oben“, über „fremde Kulturen“ oder „die Eliten“ verschafft diesen Kräften Aufmerksamkeit.
Es ist eine der Lektionen aus unserer Geschichte, dass der Weg zur Diktatur oft schleichend beginnt – mit der Verbreitung von Feindbildern, mit der Stigmatisierung einzelner Bevölkerungsgruppen und mit der ständigen Erosion von Empathie und Anstand. Die Entwicklung des Nationalsozialismus und der Aufstieg der NSDAP haben uns eines gelehrt: Solche Tendenzen müssen von Anfang an konsequent bekämpft werden, bevor sie Wurzeln schlagen können. Der 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz erinnert uns also nicht nur daran, was geschehen ist, sondern auch daran, was wir tun müssen, um zu verhindern, dass sich solche Gräuel wiederholen.
Und hier sind wir an vielen Stellen über die oft beschworenen Anfänge bereits hinaus. Und wer denkt, dass die Populisten irgendwann ruhiger werden, wenn erstmal „genug gegen die Ausländer“ unternommen worden ist, der wird sich irren. Danach wird gegen Arbeitslose oder Hartz-IV-Empfän-ger Stimmung gemacht. Gegen Obdachlose. Gegen Menschen mit Behinderung. Irgendein Feindbild, irgendeine gesellschaftliche Gruppe wird sich finden. Denn Populisten leben von Feindbildern.
„Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern können, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen“. Diese Warnung des spanischen Philosophen George Santayana gilt heute mehr denn je. Der anhaltende Aufstieg rechter Populisten in Deutschland und anderswo ist nicht nur eine Herausforderung für unsere Gesellschaft, sondern auch ein Weckruf. Immer weniger Zeitzeugen können ihre Geschichten erzählen. Das Geschehene droht zu verblassen oder in Vergessenheit zu geraten. Umso mehr müssen wir als Gesellschaft tun. Es reicht nicht nur, zu gedenken. Es ist unsere Pflicht, die Werte der Demokratie, der Menschenrechte und der Toleranz aktiv zu verteidigen.
Die Gefahr, dass der Rechtspopulismus seine Macht ausweitet und den sozialen Frieden weiter zersetzt, ist real. Realer denn je. Nicht nur in unserem Land. Die AfD, die in vielen ihrer Aussagen und Aktionen die Grenze zwischen legitimer politischer Meinungsäußerung und gefährlicher Hetze immer wieder bewusst überschreitet, trägt dazu bei, dass der Antisemitismus und Rassismus in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren. Was einst in der Isolation und im Untergrund wuchs, wird heute von Politikern, Medien und sozialen Netzwerken verbreitet. Wenn Politiker der AfD sagen, dass „die Geschichte auch ihre eigene Sichtweise hat“, wenn sie den Holocaust relativieren oder gar leugnen, dann ist das eine Revision der Geschichte, welche wir nicht zulassen dürfen.
Die Erinnerung an Auschwitz bedeutet nicht nur, der Opfer der Shoah zu gedenken, sondern auch eine unaufhörliche Auseinandersetzung mit der Gefahr der Wiederholung. Die Verharmlosung von Faschismus, Antisemitismus und Rassismus ist dabei kein Kavaliersdelikt. Es ist ein gefährlicher Rückfall in eine Zeit, die nie wiederkehren darf. Jeder Angriff auf Minderheiten, jedes Spalten der Gesellschaft, jede Verachtung gegenüber dem anderen ist ein Angriff auf die Prinzipien der Freiheit, der Gleichheit und der Menschenwürde. Und es ist ein Angriff auf unsere Verfassung, in welcher nach dem Zweiten Weltkrieg und den Verbrechen des Nationalsozialismus diese universellen Werte als Fundament unseres Staates und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufgenommen wurden.
Deshalb dürfen wir nicht zusehen, wie sich die Ideologien des Hasses wieder breitmachen. Die Erinnerung an Auschwitz muss lebendig bleiben. Nicht als „Schuldkult“, wie es die Populisten abzutun versuchen. Nicht als ein abstraktes, entfernter werdendes Ereignis. Sondern als ein stetiger Mahnruf, der uns immer wieder daran erinnert, dass unsere Demokratie und unsere Werte nur dann dauerhaft erhalten bleiben, wenn wir uns für sie einsetzen – tagtäglich, mit unseren Worten und vor allem mit unseren Taten.
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