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Stille Nacht, schrille Nacht. Advent und Weihnachten in Zeiten der Pandemie

Jedes Jahr sehen wir uns mit einer hektischen Vorweihnachtszeit konfrontiert. Jetzt in Zeiten der Pandemie wird es jedoch ruhiger - oder nicht?


Alle Jahre wieder, kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch die sogenannte stille oder „stade Zeit“. Und jedes Jahr auf´s Neue stellen wir fest, dass diese Adventszeit gar nicht so still ist. Ganz im Gegenteil. Da wird marathongeshoppt, um neben Beruf und Familie alle Geschenke für die Lieben und Ertragenen zusammenzubekommen. Da wird tage- oder gar wochenlang das Fest der Liebe generalstabsmäßig vorbereitet. Natürlich auch das Haus geputzt und weihnachtlich-festlich dekoriert und sich das Gehirn über das richtige Weih­nachts­menü zermartert. Dabei nicht selten der sportliche Gedanke, dass es noch ein bisschen besser sein müsse als das letzte Mal bei Tante Brunhilde und Onkel Walter – zumindest aber genauso schön wie bei der Schwägerin. Ein paar Tage später ist dann das ganze Spektakel vorbei – und abgesehen vom Run auf die Kaufhäuser zum alljährlichen Umtausch der Ge­schen­ke, über welche man sich kurz zuvor noch hat freuen müssen, kehrt allmählich wieder Ruhe ein. Das ist an sich nicht neu, wusste doch schon Karl Valentin: „… und wenn die stade Zeit vorüber ist, dann wird´s auch wieder ruhiger!“.


In diesem Jahr ist alles anders. Inmitten der zweiten Welle der Corona-Pandemie geraten mehr oder weniger lieb gewonnene Traditionen oder auch die Dinge, welche man „schon im­mer so gemacht hat“ ins Wanken. Trotz „Lockdown light“ sinken die Fallzahlen nicht, son­dern ver­harren auf hohem Niveau. Stand heute (06.12.) liegen 4.108 Menschen wegen einer Co­ro­na-Erkrankung auf der Intensivstation, über die Hälfte von ihnen muss invasiv beatmet wer­­den. Viele von ihnen werden in der stillen Zeit um ihr Leben kämpfen. Ihre Angehörigen zwi­schen Hoffen und Bangen schwanken.


Durch den „Lockdown light“ finden viele Weihnachtsmärkte nicht statt. Die Gastronomie und viele weitere Branchen sind gezwungen zu schließen. Armin Laschet meinte gar es werde „das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben.“ Für viele Betroffenen mag dies stimmen: Diejenigen, die normalerweise jetzt den Großteil ihres Jahresumsatzes machen würden und stattdessen um ihre Existenz bangen müssen. Diejenigen, die vielleicht aus gesundheitlichen Gründen die stille Zeit alleine ver­brin­gen müssen, statt sich gemeinsam mit Freunden auf das nahende Weihnachtsfest freuen zu können. Diejenigen, die vielleicht nicht in den Weihnachtsurlaub fahren können, obwohl sie dringend der Erholung bedürften. Diejenigen, die Corona-bedingt besonders gefordert sind, sei es, weil sie sich im medizinischen oder pflegerischen Bereich um Erkrankte kümmern oder als Paketbotin oder -bote die Flut an Päckchen zu bewältigen versuchen, die sonst in den Läden gekauft und persönlich übergeben worden wären. Viele dieser Menschen gehen mit großen Sorgen und Ängsten in diese Weihnachtszeit. Und dennoch stelle ich fest: Nur die wenigsten von ihnen klagen über die Situation – obwohl sie allen Grund dazu hätten.


Für die große Mehrheit der Bevölkerung gelten lediglich die etablierten AHA-Regeln: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen. Aus diesen Regeln heraus, bestünde die Chan­ce, die Adventszeit und das Weihnachtsfest in diesem Jahr einmal anders zu begehen. Eben einen Gang zurückzuschalten. Die hektische Zeit, über welche wir uns jedes Jahr neu ärgern, ruhiger angehen zu lassen. Vielleicht auch selbst ein wenig zur Ruhe zu kommen. Über manches nachzudenken oder einfach einmal wieder ein Buch zur Hand zu nehmen. Sprich: die stille Zeit, still sein las­sen.


Doch statt dieser Möglichkeit zur Stille ist es laut geworden. Geradezu schrill. Nicht durch die Mehrheit. Sondern durch eine laute Minderheit. Die „Diktatur“ schreit und nach „Freiheit“ ruft, und dahinter nur mühsam den eigenen Egoismus verbergen kann. Die lautstark „Liebe“ fordert, aber jede und jeden niederbrüllt, beschimpft und bedroht, der anderer Meinung ist. Die sich mit Anne Frank oder Sophie Scholl vergleicht, nur weil sie nicht wie gewohnt Ge­burts­tag feiern konnte oder zum eigenen Schutz oder zum Schutz anderer Mund und Nase be­decken soll. Die „sich Weih­nach­ten nicht verbieten lassen“ will, und gleichzeitig das Fest der Liebe mit ihrem Verhalten ad absurdum führt. Es ist eine Minderheit, aber eine ebenso laute wie ge­fährliche.


Hasserfüllt und unbarmherzig hetzen diese Menschen in den sozialen Netzwerken. Gehässig und gemein treten sie denen gegenüber auf, die bereit sind, sich selbst zurückzunehmen, um andere in ihrem Umfeld zu schützen. Erbarmungslos und ungnädig wollen sie mit den Verantwortlichen ins Gericht gehen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Sie spalten die Gesell­schaft, sie schüren den Unfrieden, gefährden unser demokratisches System. Sie verschließen sich dem Dialog und sind blind für Fakten und Argumente. Und im schlimmsten Fall tragen sie mit ihrem Verhalten dazu bei, dass das Pandemiegeschehen sich nicht so positiv entwickelt, wie es erforderlich wäre. Dass Maßnahmen verlängert werden müssen oder gar verschärft. Genau darauf spekulieren viele von ihnen. Ist doch genau das frisches Wasser auf ihre Mühlen und neue Munition für ihre Attacken auf die Mehrheitsgesellschaft.


So bleibt die Aussicht auf eine stille Advents- und Weihnachtszeit vermutlich ein frommer Wunsch. Stattdessen wird es ein Fest der Gegensätze. An manchen Stellen still und liebevoll, an manchen stressig, an manchen einsam – und zugleich laut, schrill und zunehmend gewalt­bereit.


Und über allem steht still der Stern von Betlehem.

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