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NoWaBo, Esken und die Apokalypse


Seit Samstag ist das Ergebnis des Mitgliedervotums der SPD bekannt: Norbert Walter-Borjans, kurz: „NoWaBo“, und Saskia Esken sollen künftig gemeinsam die älteste Partei Deutschlands führen. Bis dato ist die Apokalypse, welche von vielen Medien und von konservativer Seite heraufbeschworen wurde, ausgeblieben. Weder bedeckten seitdem Frösche noch Heuschrecken das Land, noch herrschte eine dreitägige Dunkelheit. Vereinzelt schien sogar die Sonne.


Und doch ist erschreckend, was gerade passiert: Gab es früher die ersten 100 Tage in einem neuen Amt den sog. „Burgfrieden“, sind die neuen Vorsitzenden noch nicht einmal gewählt und schon wird medial vehement auf sie eingeschlagen. Man gibt ihnen keine Chance:


Weder Saskia Esken, die mehr netzpolitischen Sachverstand in sich vereinen dürfte als sonst jemand im aktuellen Kabinett, noch Norbert Walter-Borjans, der als Finanzminister in NRW effizient den Kampf gegen Steuerhinterziehung im großen Stil geführt hat. Und auch der SPD insgesamt gibt man keine Chance: Die Partei schaffe sich mit diesem Ergebnis gar ab, versinke in der Bedeutungslosigkeit, von einem gefährlichen Linksruck ist die Rede, usw.

Damit fügt sich die Berichterstattung nahtlos ein, in das gewohnte Hohelied „Und schuld daran ist nur die SPD“. Egal, was die Partei in der GroKo, in welche sie unter Hinweis auf ihre staatstragende Verantwortung auch ein Stück weit hineingeschrieben worden ist, durchsetzt, es ist zu wenig, zu teuer oder komplett falsch.


Nur ein Beispiel: Da setzt die SPD gegen den erbitterten Widerstand der Union die Grundrente durch von der 1,5 Mio. Menschen, gerade aber Frauen mit geringer Rente, profitieren, die dann nicht mehr als Bittsteller auf‘s Amt müssen. Das war ein harter Kampf. Prompt wird gefragt, warum man sich als SPD nicht habe durchsetzen können, da man ja eigentlich drei Millionen Menschen davon profitieren lassen wollte. Warum fragt niemand die Union, warum sie für 1,5 Mio. weitere Rentnerinnen und Rentnern die Grundrente blockiert hat? Warum sie ursprünglich auf eine bürokratische und unverhältnismäßig teure Bedürftigkeitsprüfung bestanden hat?


Jetzt sagt das neue Führungsduo, man müsse über eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro reden. Das wird von Wirtschaft, Union und FDP kategorisch abgelehnt. Angesichts einer wirtschaftlichen Eintrübung und eines milliardenschweren Investitionsstaus, vor allem bei den Kommunen, stellen NoWaBo und Esken zudem die schwarze Null in Frage. Sofort wird geschrieben, sie verspielten mit der geplanten Schuldenpolitik die Zukunft unserer Kinder.


Hätte sich die SPD für Olaf Scholz und Klara Geywitz entschieden, hätten dieselben Medien geschrieben, die Partei hätte einem Mit-Architekten der Agenda 2010 die Stange gehalten, hätte das „Weiter so“ gewählt, die Chance auf einen Neuanfang vollends verspielt. Im Übrigen schaffe sich die Partei damit selbst ab und versinke in der Bedeutungslosigkeit.


Warum fragt niemand die Union, warum sie Millionen Menschen im Niedriglohnbereich ein selbstbestimmteres Leben verweigern will? Was an dem dogmatischen Festhalten an der schwarzen Null, volkswirtschaftlich betrachtet, sinnvoll sein soll? Woher aber auf der anderen Seite gleichzeitig die Milliarden für eine komplette Soliabschaffung oder die geforderte Steuerentlastung für Unternehmen oder für das Zwei-Prozent-Ziel im Verteidigungsetat herkommen sollen? Wieso muss die Union nicht erklären, in welchen (sozialen) Bereichen sie dann im Gegenzug streichen und kürzen will, wenn die schwarze Null dennoch gehalten werden soll?


Ja, die SPD hat in der Vergangenheit mit Sicherheit nicht alles richtig gemacht. Wenn sie aber nun, eben vielleicht auch mit neuen Köpfen, versucht, manche Verwerfungen der Vergangenheit auszugleichen, sich wieder stärker auf ihren Markenkern zu besinnen (wozu sie die Medien ja auch immer wieder aufgefordert haben) und sich damit auch unterscheidbarer von der Union zu machen, dann ist dies letzten Endes auch ein Gewinn für unsere Demokratie. Die vielen GroKo-Jahre haben die Ränder und den Populismus erstarken lassen und Politikverdrossenheit befördert. Inhaltliche Unterschiede und Alternativen aufzuzeigen, ist in dieser Situation ein Schritt in die richtige Richtung. Die SPD hat gestern in den sozialen Netzwerken, zugegeben etwas platt, gepostet: „Völker, hört die Inhalte!“. Sie will keinen sofortigen Bruch der GroKo, deren Fortbestand aber an Inhalten festmachen.


Statt dies zu würdigen, oder zumindest die übliche „Schonfrist“ abzuwarten, werden nun also apokalyptische Untergangsszenarien gezeichnet und AKK schreckt selbst vor Erpressung nicht zurück: Mit der Ankündigung, dass es die Grundrente nur mit einem Bekenntnis der SPD zur GroKo geben werde, werden 1,5 Mio. bedürftige Rentnerinnen und Rentner in Geiselhaft genommen und vor dem SPD-Parteitag Druck auf die Delegierten ausgeübt. Zu groß ist die Angst der Union, vor einem Bruch der Koalition und möglichen Neuwahlen. Die Union hat dabei am Ende auch mehr zu verlieren als zu gewinnen. Die Vorsitzende der CDU stellt damit den Machterhalt über die Inhalte, über die Menschen im Land. Vielleicht sollte man auch das einmal kritisch hinterfragen…auch wenn dies in manchen Redaktionen ein Umdenken erfordern würde.

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