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Insekten in Lebensmitteln - Spinnen die jetzt total?



Da kocht das Internet. Die Leitungen glühen. „Seit 10. Februar | Ab sofort könnten Insekten in unseren Lebensmitteln verarbeitet sein“ postet die tz München. Der Beitrag schießt durch die Decke. Nach einem Tag mehr als 3.000 mal geteilt, mehr als 5.000 Kommentare. In der Online-Redaktion knallen die Sektkorken.


Und der gemeine Bürger tobt: „Mögen die Firmen die das machen alle insolvent werden.“, „Es ist eine Sauerei.“, „Kann die Von der Leyen alleine Essen…“, „So werden wir immer weiter entmündigt und bekommen vorgeschrieben was wir denken, sagen, trinken und essen. Genauso funktioniert eine Diktatur. Ich hoffe die Menschen denken mal darüber nach, was hier passiert.“ Und so weiter.


Neu ist, dass in Brot, Kuchen oder Teigwarenprodukten künftig Mehlwurmpulver verarbeitet werden kann. Dies ist entsprechend zu kennzeichnen. Dass Insekten in Produkten unseres Alltags bereits verarbeitet werden, ist jedoch schon seit Jahren so.


Ob sich die besagten Kommentar-Schreiber:innen dessen bewusst sind, wenn sie Fruchtgummis, Getränke oder Süßigkeiten verzehren oder sich Lippenstift auf die Lippen schmieren, welche einen Farbstoff enthalten, der aus den Schalen der Cochenille-Schildlaus gewonnen wird? Vermutlich nicht. Den Meisten wird der Zusammenhang zum aufgedruckten Farbstoff Karmin bzw. E120 nicht bekannt sein. Ähnliches gilt für Schokolade oder Gummibärchen, welche Bienenwachs oder Läusewachs enthalten können oder als Überzug erhalten. Diese Zutat versteckt sich hinter dem Kürzel E901. Gleiches gilt für Shellac, dabei handelt es sich um das Wachs der Laccifer lacca, der Lacklaus. Auch dieses findet sich unter der Bezeichnung E904 in Süßigkeiten oder Zuckerguss. Und E904, verleiht Lebensmitteln zum stellenweise einen natürlichen Glanz. Dieser kann aber auch von Silberfischen stammen. Zum Einsatz kommt dies u.a. bei Früchten und Obst, aber auch Nüssen und Trockenfrüchten, um sie länger glänzend frisch zu halten. Oft wird der Zusatzstoff auch nur als „Wachsschicht“ bezeichnet. Der Süßwarenhersteller „kinder“ schreibt zum Beispiel auf seiner Homepage: „kinder verwendet Schellack und Gummiarabikum in kleinen Mengen in Kinder Schoko-Bons.“ Dabei handele es sich um „Harze natürlicher Herkunft“. Schellack wird aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen – ohne Zweifel eine natürliche Herkunft. Regen wir uns darüber auf? Nein, weil wir es nicht wissen und weil die Meisten die kleinen runden Schokodinger einfach lecker finden.


Nun also die große Aufregung wegen verarbeiteter Mehlwürmer. Dabei bieten diese angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und den steigenden Herausforderungen für die Landwirtschaft durch den Klimawandel durchaus Vorteile, welche in Zukunft zur Sicherstellung der Lebensmittelversorgung beitragen können, oder rational betrachtet, vielleicht sogar müssen.


Mehlwürmer sind ein hervorragender Eiweißlieferant, welche Futter hocheffizient in Protein umwandeln können, dabei deutlich weniger CO2 abgeben und einen geringeren Ressourcenverbrauch aufweisen als die konventionelle Fleischerzeugung. Allein der Wasserverbrauch beträgt im Vergleich zu Rundfleisch nur etwa ein Neuntel. Auch der Bedarf an Futter und der Platzbedarf zur Produktion ist deutlich geringer. Damit eignen sie sich gerade auch für Urban Farming und können auch in Gebieten erzeugt werden, welche sich für konventionelle Landwirtschaft nicht eignen oder welche nicht den erforderlichen Raum zur Verfügung stellen.

Neben dem hohen Proteingehalt liefern Mehlwürmer zudem aus Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe.


Der Rest ist eine reine „Kopfsache“. Also: Schnell noch ein Schokobon und den Lippenstift frisch aufgetragen, und dann beruhigen wir uns und schalten einen Gang runter. Und ansonsten gilt, für alte wie neue Zusatzstoffe: Der Konsument bzw. die Konsumentin entscheiden beim Kauf!

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oliver jauernig | dozent | autor | blogger

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