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„Heute schon gesperrt worden…?“ – Warum freie Medien wichtig sind


Heute, am 11.03.2020, wurde ich von Facebook für 24 Stunden komplett gesperrt. Die Sperre umfasst mein privates Profil, mein Blog-Profil und eine von mir betreute Seite, auf welche ich nur beruflich zugreife. Nicht einmal Freundschaftsanfragen oder Likes sind zugelassen. Als Grund wird angegeben, ich hätte mit einem Beitrag wiederholt „gegen unsere Gemeinschaftsstandards“ verstoßen. Eine beantragte Überprüfung hat nach drei (!) Minuten ergeben, dass der Verstoß und die Sperre bestätigt worden sind.


Konkret handelt es sich meinen Beitrag „Deutschland erwache! – Es ist an der Zeit!“, in welchem ich AfD-Politiker zitiere, vor dem gezielten Einfluss der Populisten auf unsere Sprache und unser Denken warne und alle Demokratinnen und Demokraten dazu aufrufe, sich diese gefährliche Entwicklung bewusst zu machen. Beschlossen habe ich den Beitrag mit einem Zitat aus einem Gedicht von Kurt Tucholsky, welches auch namensgebend für den Post gewesen ist.


Man fragt sich schon, wie es sein kann, dass die Warnung vor einem Erstarken der populistischen Rechten und der daraus resultierenden Gefahr für unsere Demokratie, dazu führt, dass ein Beitrag und ein Profil gesperrt werden, gleichzeitig aber Populisten und Extremisten im selben sozialen Netzwerk sich nach Herzenslust austoben, beleidigen und bedrohen können.


Da kann ein Aktivist der Identitären Bewegung posten: „Gebt mir eine M60 mit ausreichend Munition, stellt mich an die türkische Grenze und ich schieße den gesamten menschlichen Abschaum über den Haufen. Frauen und Kinder inklusive, wenn bei 10.000 Männern mal eine(s) dabei ist. Ich bin gerne bereit den Moslemansturm auf Europa ganz alleine abzuwehren. Man muss mir nur Bescheid sagen“. Statt einer Sperre darf sich diese Person noch feiern lassen und in Solidaritäts- und Unterstützungsbekundungen Gleichgesinnter suhlen.


Verstehen kann man das nicht. Gleichwohl: Gegen überforderte Mitarbeiter oder einen – wie auch immer – programmierten Algorithmus kommt man nicht an.


Umso wichtiger sind die Alternativen zu den sozialen Netzwerken, dazu gehören in Zeiten der Digitalisierung auch Blogs und – ganz klassisch – unsere freien Medien, die ein breites Spektrum an politischen Grundhaltungen abbilden. Wo es eben einen Unterschied macht, ob ich die TAZ, die WELT, die Süddeutsche, die ZEIT, die Junge Freiheit, den SPIEGEL, den FOCUS oder meine Tageszeitung vor Ort lese.


Medien, die ein Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Facetten beleuchten. Sie sichern – auch bei unterschiedlichen Meinungen im Detail – in der Gesamtschau eine Unabhängigkeit in der Berichterstattung und nehmen damit eine wichtige Kontrollfunktion gegenüber Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ein.


Umso befremdlicher mutet es an, wenn dann der CDU-Politiker Friedrich Merz empfiehlt, sich auf Social-Media-Kanäle anstatt auf traditionelle Berichterstattung zu verlassen. In Blick auf die herkömmliche Medienberichterstattung sagte Merz bei einer Veranstaltung in Aachen: „Wir brauchen die nicht mehr.“ Da sind die Übergänge zum „Lügenpresse“-Vorwurf der rechten Populisten fließend.


Die klassischen Medien haben noch einen entscheidenden Vorteil: Man kann ihre Berichterstattung in einer funktionierenden Demokratie nicht einfach geräuschlos „ausknipsen“ oder sie sperren. Auch deshalb sind sie ein hohes Gut. Gleiches gilt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das sollte man auch im Hinterkopf behalten, wenn man sich das nächste Mal über den Rundfunkbeitrag aufregt.


Diesen Beitrag werde ich morgen, so ich denn nicht mehr gesperrt sein sollte, auch bei Facebook posten. Vielleicht werde ich dann erneut wegen enthaltener Zitate, Links, Titel, etc. blockiert. Für diesen Fall lade ich herzlich dazu ein, meinem Blog direkt zu folgen – ohne den Umweg über das soziale Netzwerk.

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