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Deutschland bekommt eine AfD-Regierung - durch die Hintertür



Nur noch wenige Stunden, dann hat Deutschland einen neuen Bundestag gewählt. Laut einer INSA-Umfrage einen Tag vor der Wahl gäbe es nur eine größere Mehrheit für eine Koalition aus Union und AfD. Oder für ein Bündnis aus CDU, CSU, SPD und Grünen – faktisch eine Viererkoalition.


Mit den Grünen will die CSU nicht. Dessen ungeachtet wäre eine solche Koalition, wie auch eine GroKo (die laut jüngster Umfrage eben auch keine Mehrheit hätte) oder eine Afghanistan-Koalition massiv belastet: Zum Einen durch die gemeinsame Abstimmung von Union, FDP und AfD in der letzten Sitzungswoche, wo man bei einem Entschließungsantrag ohne verpflichtende Folgen mit dem Grundkonsens (und dem eigenen Versprechen) gebrochen hat, nicht mit Rechtsaußen zu paktieren. Zum Anderen wegen der begleitenden Rhetorik, welche bis zum Wahlkampfabschluss der CSU heute in München nochmals an Schärfe zugenommen hat.


Unter brutalstmöglicher Geschlossenheit mit Markus Söder und dem frenetischen Beifall seiner Anhänger schrie Friedrich Merz förmlich in die Welt hinaus: „Wo waren diese ganzen Typen da, die heute auf der Straße herumlaufen und meinen, sie müssen hier gegen Rechts demonstrieren? Ich gebe den Leuten da draußen eine Antwort: Links ist vorbei! Es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland. Es ist vorbei! Es geht nicht mehr. Und jetzt werden wir, liebe Freundinnen und Freunde, wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen. […] Für die Mehrheit, die geradedenken und die auch noch alle Tassen im Schrank haben. Für die werden wir jetzt wieder Politik machen […] und nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt! Die sollen da draußen rumlaufen, aber sie haben mit der Mehrheit dieser Bevölkerung gar nichts zu tun.“


Wenn vor wenigen Jahren irgendwo „besorgte Bürger“ auf die Straße gegangen sind, sollte man dies aus Sicht der Union ernst nehmen. Als Landwirte für den Agrardiesel demonstrierten, verkündete Merz: „Die Union stellt sich rückhaltlos hinter die Bauern.“ Nun sind allein seit Jahresbeginn 2025 rund 1,9 Millionen Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen, weil sie sich um unsere Demokratie sorgen. Und das sollen nun also alles grüne und linke Spinner sein, die, so der Umkehrschluss aus Merz‘ Aussage, nicht mehr alle Tassen im Schrank haben?

Deutschland steht vor großen Herausforderungen, innen- wie auch außenpolitisch. Langwierige Koalitionsverhandlungen würden das Land zusätzlich lähmen – wie zuletzt schon die Blockadehaltung der Union, welche sich einer Zusammenarbeit mit der Regierung weitestgehend verweigert hat.


Wie könnte eine Regierungsbildung also nach der Wahl aussehen?


Ein Bündnis zwischen Union, Grünen und SPD scheint aussichtslos. Dafür wurde zuviel Porzellan zerschlagen. Zudem hat Merz klargestellt, dass die Union mit niemandem in eine Regierung gehen würde, der nicht zu einem klaren Kurswechsel in der Wirtschafts- und Migrationspolitik bereit sei. Das klingt nach Friss-oder-stirb. Ohne Klimaschutz werden die Grünen verprellt, ohne Sozialpolitik die SPD. Ohne klare Forderungen an eine Außen- und Sicherheitspolitik bliebe jedoch die Tür zur AfD geöffnet.


Die benannte Fokussierung auf Wirtschaft und Migration lässt die Schnittmengen zur AfD besonders hervortreten: Steuerentlastungen für die Besserverdienenden in Milliardenhöhe, Abschaffung des Bürgergeldes, Abschaffung des Deutschlandtickets, Auslaufen der Mietpreisbremse, Absenken des Rentenniveaus, keine Erhöhung des Mindestlohns, Schließung der Grenzen (auch wenn das rechtlich nicht ohne Weiteres möglich wäre). Es gäbe  viel, wo sich Union und AfD schnell einig werden würden.


Es bliebe nur ein Problem: Söder und Merz betonten bis zuletzt, dass sie keine Regierung mit der AfD bilden würden.


Aus diesem Dilemma könnte sich die Union jedoch ganz einfach befreien:  Die Hürden für Schwarz-schwarz-rot-grün werden von Merz so hoch gelegt, dass diese aus ihrer Sicht unbequeme Koalition gar nicht erst zustande kommt. Dann würde man Grüne und SPD bezichtigen, dass sie sich als „vaterlandslose Gesellen“ der Verantwortung für das Land entzögen und die Union deshalb erstmals in der Geschichte der BRD eine Minderheitsregierung bilden müsse. Alle Ministerien würden dann zwischen CDU und CSU aufgeteilt. Wie praktisch.


Und dann müsste man sich Mehrheiten suchen. Hier käme dann die AfD ins Spiel. „Das, was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch dadurch, dass die Falschen zustimmen,“ sagte Merz nach dem Tabubruch im Bundestag. Ein verräterischer Satz. Denn genau so könnte er, die gemeinsamen Schnittmengen zur AfD - mit den Stimmen der AfD - durch den Bundestag bringen.


Die AfD würde diese Art informeller Regierungsbeteiligung durch die Hintertür als weiteren Schritt zur Einflussnahme und Möglichkeit zur Profilierung feiern. Wäre man am Ende erfolgreich, war man dies trotz der Union. Wäre man es nicht, wäre es ein Scheitern der Unionsregierung. Am Ende kann die AfD, welche sich eine realistische, offizielle Regierungsbeteiligung für 2029 ausrechnet, nur gewinnen. Und die Konservativen würden damit erneut zum Steigbügelhalter für die Demokratiefeinde von Rechtsaußen.


Nur noch wenige Stunden, dann ist die Wahl vorbei.

Noch haben wir es in der Hand.

 

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oliver jauernig | dozent | autor | blogger

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